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Weder Markt- noch Regulierungs-Timing ist zielführend: Gebäudeunterhalt bei Wohneigentum



Regulierungen beeinflussen das Entscheidungsverhalten


Wer erinnert sich noch an die Dumont-Praxis? Wer mindestens 14 Jahre Berufserfahrung im hiesigen Bau- und Immobilienmarkt auf dem Buckel hat, dürfte mit dieser Praxis noch vertraut gewesen sein. Sie, diese steuerrechtliche Praxis besagte, dass die Instandstellungskosten (gemeint waren Sanierungskosten) für Liegenschaften mit einem Unterhaltsstau in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb der Liegenschaft steuerlich NICHT absetzbar waren. Diese Karenzfrist für eine steuerlich privilegierte Investitionstätigkeit wurde vom Bundesparlament mit Blick auf die direkte Bundessteuer per 1. Januar 2010 abgeschafft. Den Kantonen wurde eine Übergangsfrist für deren Vollzug von zwei Jahren eingeräumt. Obwohl schweizweit die monetären Bauvolumen im Segment «Umbau, Erweiterung, Abbruch» seither angestiegen sind, lässt sich kein belastbarer Effekt durch den genannten Regimewechsel nachweisen. Er dürfte sich damals im statistischen Unschärfebereich bewegt haben.

 

In Bundesbern könnte bis Ende 2024 eine politische, eidgenössische Sensation Realität werden. Nichts weniger als eine grundlegende Neuausrichtung bei der systematischen Besteuerung des sogenannten Eigenmietwerts scheint spruchreif zu sein. Dabei handelt es sich um einen notorischen politischen Zankapfel, der seit etlichen Jahrzehnten unter der Kuppel des Bundeshauses thematisiert wurde und noch wird. Nach meinem Wissensstand würde über keine liegenschaftsaffine Materie so viel und so leidenschaftlich publiziert. Alleine die Publikationen mit wissenschaftlichen Studien und Gutachten dürften mehrere Tausend A4-Seiten umfassen: Von Scharfsinnigem bis zu Ideologischen findet sich dort alles. Ein Tauziehen sondergleichen.


Noch nicht in trockenen Tüchern, aber es darf Morgenluft gewittert werden

 

Ich weiss, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll. Aber gleichwohl stelle ich mir im Sinne eines Szenarios folgende Frage: Würde der Regimewechsel dereinst beschlossen und in Kraft gesetzt werden, könnte dann hierzulande kurzfristig mit einem temporären Sanierungs- und Instandhaltungsboom gerechnet werden? Dabei interessiert ausschliesslich der Zeitraum ab jetzt bis zur Inkraftsetzung des neuen Regimes. Gemäss aktuellem Stand der Debatte in den zuständigen Kommissionen wären Ausgaben für den baulichen Unterhalt aus steuerlicher Sicht irrelevant. Unterstellt man eine Inkraftsetzung per 1. Januar 2027 böte sich aus Sicht der Eigentümerschaft von selbstgenutztem Wohneigentum ein effektives «window of opportunity» von rund zwei Jahren. Dies gälte vor allem für selbstgenutzte Erstwohnungen. In dieser Zeit könnten bauliche Renovations- und Sanierungsmassnahmen oder energetische Massnahmen bewusst vorgezogen werden. Mit anderen Worten könnte man als Eigentümerin oder Eigentümer geneigt oder versucht sein, entsprechende individuell-konkrete Massnahmen auf der Zeitachse zu forcieren, bzw. solche mit zeitlicher Priorität überhaupt anzugehen. Dafür könnte eine handfeste (einmalige) Steuerersparnis realisiert werden.

 

Das skizzierte Szenario entspricht ökonomisch gesehen einer zeitlich beschränkten Option. Ob und wie oft sie genutzt wird, lässt sich aber nicht in Zahlen quantifizieren. Man kann dazu nur mutmassen. Zu bedenken sind aber folgende Elemente und Faktoren: Dauer und Prozess der eigentümerseitigen Entscheidungsfindung mit der dazugehörigen Sicherstellung der Finanzierung des Vorhabens, die Dauer der Planung einerseits und der Ausschreibung andererseits seitens der involvierten Baudienstleister. Dabei gilt es nicht zu vergessen, dass trotz der gedämpften Neubautätigkeit die hiesigen Baukapazitäten nicht üppig ausfallen. So sind qualifizierte Unternehmen mit einer entsprechenden Marktreputation notorisch ausgebucht. Hier besteht ein strukturelles Nadelöhr. Unter dem Strich resultiert folgende Hypothese: Zwar wäre ein bewusstes Vorziehen von baulichen Massnahmen durchaus rational begründbar, aber die faktischen (eigenen) Rahmenbedingungen dürften einer solchen Mobilisierung auf breiter Front im Weg stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachfrage nach solchen Bauleistungen temporär signifikant (also messbar) ansteigen könnte, dürfte sich nach meiner Einschätzung auf einem moderaten Niveau bewegen. Kommt hinzu, dass nach wie vor eine Restunsicherheit besteht, dass sich genau nichts ändern wird. Der ökonomische Anreiz, um das skizzierte Zeitfenster zu nutzen, wäre somit ohnehin obsolet. Es wäre keine Eile mehr geboten.

 

In einem früheren Blogbeitrag habe ich auf den Expertenbericht Gaillard hingewiesen. Darin machen sich vier Experten und eine Expertin mitunter dafür stark, dass das Subventionswesen im Gebäudebereich zu redimensionieren seien. Dazu weisen sie – korrekterweise – auf den bekannten Mitnahmeeffekt hin. Unter dem Strich gilt es für Eigentümerinnen und Eigentümer von selbstbewohntem Wohneigentum festzuhalten, dass sich das Klima – sprich die Rahmenbedingungen – für bauliche Massnahmen strukturell eher verschlechtern als verbessern dürften. Kommt hinzu, dass die Baukosten – gemessen an entsprechenden Indizes – hierzulande selten über längere Zeit stabil oder gar sinkend sind. In der Regel steigen sie stetig. Notwendige bauliche Massnahmen auf die lange Bank zu schieben, stellt keine schlüssige Option dar. Zumal es sich um eine taktische Entscheidung unter Untersicherheit handelt.

 

Die Moral von der Geschichte

 

Fazit: Ein bewusstes «Timing» von baulichen Massnahmen wird selten mit einer Punktladung belohnt. Es handelt sich so oder so um ein schwieriges Unterfangen. Insofern sollte man sich an folgende Devise halten: Investiere und saniere dann, wenn die eigene Gebäudesubstanz danach verlangt. Damit verlängern man zudem die Zeit, während der die getätigte Massnahme einen Nutzen stiftet. Eigentümerinnen und Eigentümer können sich am gepimpten Eigenheim freuen. Alles andere ist Beilage.


Quellen:

 


Bisher publizierte Blogs zum Thema:



Bildnachweis:
Max von Heckel, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Band 1, Leipzig 1907, S. 226.

 




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