Neulich besuchte ich ein Zürcher Architekturbüro in Altstetten. Die Gründer des Büros sind gefühlt eine Generation jünger als ich. Junge Wilde. Das trifft meine Präferenzen gut. Uns verbindet die Verbundenheit zu einem der Bündner Südtäler. Die Architekten waren zu einem Wettbewerb eingeladen. Die Aufgabe: Die Umwandlung eines schmucken Bürogebäudes in Wohnungen. Die fragliche Liegenschaft stammt aus den 1960er-Jahren und befindet sich in der Stadt Zürich. Zonenrechtlich steht dem Vorhaben nichts im Wege.
Leuchtturmprojekt mit fehlgeleiteter Kennung
Offensichtlich handelt es sich dabei um eine so hehre wie zeitgemässe Aufgabenstellung. Und das Beste: Die Eigentümerschaft der fraglichen Liegenschaft wünscht sich ein «Leuchtturmprojekt» mit preisgünstigen Wohnungen. Alter Schwede! Solche Ansprüche sind schwer zu überbieten. Geht noch mehr Altruismus?
Vor diesem Hintergrund war primär meine ökonomische Einschätzung und am Rande auch meine rechtliche Würdigung gefragt. Nach einem regen Gedankenaustausch waren die Architekten ernüchtert. Weshalb? Ich hatte sie lediglich zu Elementarem über die Wirkungskräfte der räumlichen Ökonomie ins Bild gesetzt. Diese Wirkungsketten und Gesetzmässigkeiten sind bekannt, aber nicht unbedingt akzeptiert.
Die Höhe der Baukosten haben keinen nennenswerten Einfluss auf das Niveau der absoluten Mietzinsen pro Wohnung. Selbst wenn man die Baukosten – mit welchen Massnahmen auch immer – substanziell nach unten bringen könnte. Substanziell meint hier 30 und mehr Prozent. Zwischen Baukosten und dem Niveau der Mietzinskosten mag zwar rechtlich eine Verbindung bestehen, aber ökonomisch betrachtet besteht keine Korrelation.
Je kleiner die Wohnfläche pro Wohnung, umso höher ist der dort erzielbare absolute Mietertrag pro Quadratmeter und Jahr. Auch das Umgekehrte gilt. Stichworte: Skaleneffekt und Grenznutzen.
Der geschätzte, stichtagsbezogene Marktwert einer Liegenschaft bestimmt sich ausschliesslich durch die Höhe der zukünftigen erwarteten Mieterträge (bzw. Verkaufserlöse bei Eigentumswohnungen). Hierbei kommt immer das Szenario «Highest-and-Best-Use» zur Anwendung. Relevant sind dabei die ökonomischen Opportunitätskosten.
Je höher die tatsächlichen bzw. erwarteten Mieterträge bzw. Verkaufserlöse ausfallen, umso «wertvoller» wird der Produktionsfaktor «Boden» sowohl als absolute Grösse wie auch relativ zu den Erstellungskosten der Bausubstanz.
Die ungefilterten und ehrlichen Renditen (also die Gesamt-, Cashflow- oder Wertänderungsrenditen) bestimmen sich an den objektiven Opportunitätskosten des Investments und nicht an effektiven oder historischen Bau- oder Anlagekosten. Stichwort: Selbsttäuschung.
Selbstkasteiung wäre die primär wirksame Option
Ich bin immer wieder erstaunt, wie blauäugig, scheinbar naiv und sich selbsttäuschend Immobilieninvestoren in ökonomischen Fragestellungen unterwegs. Mangelt es an ökonomischem Sachverstand oder sie sind bloss durchtrieben?
Um allfälligen Missverständnissen vorzubeugen: Es spricht nichts gegen sogenannte Suffizienz-Pitches und ebenso wenig gegen die Devise «preisgünstig» zu bauen oder auch günstig zu vermieten. Denn ökonomische Prinzipien sind bei gegebener Zielsetzung – hoffentlich immer – hinreichend zu würdigen!
Aber fast alles spricht dagegen, dass Fachplanerinnen oder -planer oder Architektinnen oder Architekten besonders innovativ oder kreativ sein sollen, um dem gesagten Leuchtturm-Credo im individuell-konkreten Fall zum Durchbruch zu verhelfen. Sie, die genannten Akteure, sollten mit diesem spezifischen Ansinnen nicht gezielt und besonders gequält werden. Damit lässt sich nicht einmal ein Blumentopf gewinnen. Der Hase liegt woanders im Pfeffer.
Die Moral der Geschichte
Die Fakten zum hiesigen Wohnungsmarkt liegen auf dem Tisch. Dasselbe gilt für die individuellen und kollektiven Wohnpräferenzen der privaten Haushalte. Unter dem Strich lassen sich die herrschenden Mietpreisniveaus (unabhängig davon, wie sie gemessen werden) problemlos erklären.
Wenn also Eigentümer von Wohnungen – aus welchen Gründen und Motiven auch immer – preisgünstigen Wohnraum produzieren und ihn entsprechend vermieten wollen, müssen sie schlicht weniger gierig sein. Um dem Narrativ einer «Renditeenthaltsamkeit» zum Durchbruch zu verhelfen, wären also die Investoren oder Anleger – und nur sie – angehalten, mögliche erzielbare Mietzinspotenziale lediglich in einem mehr oder weniger reduzierten Ausmass zu mobilisieren. Sie haben es mit der eigenen Mietzinsgestaltung in der Hand. Dadurch steuern sie mehr oder weniger direkt die Höhe und die Entwicklung der jeweiligen Cashflow-Rendite. Basta. Alles andere kratzt an der Oberfläche. Bestenfalls geht das Ganze als Marketing-Gag durch.
Dazu ein Gedankenmodell: Die Baukosten betragen eine Million. Der Kaufpreis beträgt für den Boden (Parzelle) ebenfalls eine Million. Die Anlagekosten betragen zwei Millionen. Laut Mietrecht wäre ein Mietzins von 6'250 Fr. pro Monat möglich. Die implizite Cashflow-Rendite beträgt 3.75%. Achtung, diese Grösse ist nicht unbedingt mit einer Marktmiete gleichzusetzen. Kann der Bauherr die Baukosten um 30% (!) reduzieren, ergibt sich Monatsmiete von rund 5'300 Franken. Und nun der Clou: Bleiben die Baukosten verharren weiterhin bei einer Million, aber die Renditeerwartung auf das Bauland werden von 3.75% auf 2.0% zurückgenommen, dann ergibt sich ein monatlicher Mietzins von knapp 4'800 Franken. Alles klar? Ja, du hast recht, liebe Leserin, liebe Leser: Nach diesem Ansatz funktionieren in der Tendenz, aber nicht eins zu eins, genossenschaftliche Konstrukte. Das ändert jedoch nichts am ökonomischen Kalkül der Materie.
Ein Gratistipp für Maximierer
Besteht das Bestreben nicht darin, preisgünstigen Wohnraum anzubieten, sondern das Gegenteil trifft zu, dann existiert ein eleganter Weg dazu (Art. 12 Abs. 1 VMWG). Der Alleineigentümer einer bestehenden Liegenschaft begründet ein Baurecht. Er wird in Personalunion zum Baurechtsnehmer und gleichzeitig zum Baurechtsgeber. In einer solchen konstruierten Konstellation lässt sich die Bodenrente legal – ohne die Missbrauchsnormen des Mietrechts zu ritzen – problemlos abschöpfen. So geht das.
Der Clou zum Schluss: Die eingangs erwähnte 5-Zimmer-Wohnungen existiert tatsächlich. Sie steht jetzt – im März 2024 – zur Vermietung. Sie ist auch nicht klein. Die Wohnfläche beträgt stattliche 170 Quadratmeter. Gibt es einen Haken? Nein. Siehe Link bei Quellenangaben.
Quelle: