Gestern behandelte der Bundesrat in einer Sitzung den taufrischen Bericht der Expertengruppe zur Aufgaben- und Subventionsüberprüfung. Eine fünfköpfige Expertengruppe unter der Leitung von Serge Gaillard hat den gut 60 Seiten umfassenden Bericht verfasst (*). Angesichts der durchzogenen Finanzperspektiven des Bundes hat die Landesregierung vier Experten und eine Expertin beauftragt, ausgabenseitige Massnahmen zum Sparen zu identifizieren. Mittelfristig, d. h. ab 2027 sollen mindestens 3 Milliarden und ab 2030 mindestens 4 Milliarden Franken pro Jahr weniger ausgegeben werden. Und die Experten waren fleissig und sie würden fündig. Sie orten unter dem Strich mittelfristig mögliche Haushaltsentlastungen von rund 3.9 Milliarden Franken und gar solche im Umfang von 4.9 Milliarden Franken ab 2030. Auftrag erfüllt. So weit, so gut. Was an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll, ist die Klarheit und die Kürze des oben genannten Elaborats. Solides Handwerk.
In Ergänzung zur mutmasslichen Drosselung der zukünftig erwarteten Ausgaben machte sich die Expertengruppen zusätzlich noch Gedanken zur Stärkung der Einnahmeseite. Sie figurieren unter dem Titel «Prüfung einnahmeseitiger Massnahmen. Hierbei handelt es sich in der einschlägigen Übungsanlage ausdrücklich um einen Nebenschauplatz. Auf zwei dort aufgeführte Themenbereiche soll nachfolgend kurz eingegangen werden. Beide sind grundstücksaffin.
Liegenschaften im Visier - what else
Einerseits geht es die Erhebung einer Grundstückgewinnsteuer für Private auf Bundesebene. Nach geltendem Steuerrecht werden Gewinne, die bei der Veräusserung von Grundstücken, die ihrerseits im Privatvermögen gehalten werden, «nur» auf kantonaler und kommunaler Ebene steuerlich erfasst. Sollte dereinst eine solche Steuerpflicht auch auf Ebene Bund gelten, würde die Rentabilität von Immobilien nach Steuern offensichtlich geschmälert werden. Die einschlägige Steuerlast würde zunehmen. Da Steuern immer gesetzlich legitimierte Willkür darstellen, lässt sich dogmatisch nichts Stichfestes gegen diesen Vorschlag einwenden.
Aber weshalb schränkt die Expertengruppen ihren Vorschlag auf Grundstücke ein? Wäre es nicht konsistent, wenn alle auf dem Privatvermögen erzielten Kapitalgewinne zu versteuern wären? Das Thema einer allgemeinen Kapitalgewinnsteuer für Private ist in der Schweiz nicht neu. Es taucht immer wieder in einschlägigen Debatten auf. Im Kontext des vorliegenden Berichts und im Lichte der aufgeworfenen Fragestellung bleibt es – zumindest für Aussenstehende – schleierhaft, weshalb nur Kapitalgewinne, deren Basis Grundstücke sind, ins Visier genommen werden. Klar, Immobilien sind als potenzielles Steuersubstrat besonders beliebt. Es kann nicht mit Füssen abstimmen, bzw. wegrennen.
Andererseits schlägt die Expertengruppe vor, die Mehrwertsteuer «weitgehend von Ausnahmen zu befreien und in Richtung eines Einheitssatzes zu gehen». Unter dieser Prämisse sollte der spezifische Steuersatz von heute 8.1% merklich und generell gesenkt werden. Die Stossrichtung dieser zu prüfende Option geht m. E. in die richtige Richtung. Aber aufgepasst! Nach der Massgabe von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 MWSTG unterliegt die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zum Gebrauch oder zur Nutzung nicht der Mehrwertsteuerpflicht. Vermietete Wohn- und Geschäftsräume, die nicht bewusst «optiert» sind, geniessen bis dato Steuerprivileg. Es geht um stolze Beträge.
Dazu eine kleine Modellrechnung: In der Schweiz gibt es gegenwärtig geschätzt rund 2.7 Mio. Mietwohnungen. Sie generieren grob hochgerechnet rund 50 Milliarden Franken Mieteinnahmen. Daraus würden bei einem Mehrwertsteuersatz von 8.1% Bruttosteuern in der Höhe von jährlich gut 4 Milliarden Franken resultieren. Dazu kämen noch spezifische Steuereinnahmen, die von vermieteten Geschäftsflächen in der Grössenordnung von 0.4 Milliarden Franken pro Jahr. Insgesamt sprechen wir zusätzlichen Einnahmen bei der Mehrwertsteuer von rund 4.4 Milliarden Franken! Bei einem tieferen Steuersatz von beispielsweise 6% würden immer noch Steuereinnahmen in der Höhe von 3.4 Milliarden Franken pro Jahr sprudeln. Et voilà: ein paar Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen für den Bund.
Die Moral der Geschichte
Die Essenz dieses Kommentars beinhaltet zwei Kernbotschaften: Erstens ist der von der Expertenkommission vorlegte Bericht mit Vorsicht zu geniessen. Zwar macht er einen soliden Eindruck, aber materiell ist er nicht umfassend. Es bestehen Lücken. Insbesondere für Laien wäre es hilfreich zu wissen, welche Themen aus welchen Überlegungen bewusst oder unbewusst nicht in den Prüfungskatalog aufgenommen worden sind. Zweitens erinnert uns dieser Bericht einmal mehr daran, dass Mieterhaushalte – wohl aus sozial- und gesellschaftspolitischen Überlegungen – mit Blick auf die Mehrwertsteuer – seit vielen Jahren geschont werden. Eine Prise Demut wäre vielleicht nicht abwegig, oder? Denn nimmt man die geäusserten Vorschläge der Expertengruppe für bare Münze, wäre sozialer Sprengstoff erster Güte lanciert. Mieterhaushalte könnten demnach vom Regen in die Traufe kommen. Das letzte Wort hat die Politik.
Quellen:
Wüest Partner, Immo-Monitoring 2024 Band 2, S. 154.
Modellrechnungen: dr. urs hausmann strategieberatung